Seit einigen Wochen nehme ich an der neu gegründeten „Schule ohne Rassismus – AG“ teil und möchte den Blog-Eintrag dieser Woche nutzen, um die AG einmal vorzustellen und von einem Workshop, an dem wir vor kurzem teilnehmen durften, zu berichten.
Wir, eine Gruppe aus Schüler*innen vom 9. bis zum 12. Jahrgang, treffen uns zurzeit einmal wöchentlich über eine Videokonferenz. Die Themen, mit denen wir uns beschäftigen, sind vielfältig, es geht also neben dem Thema Rassismus auch um viele verschiedene Formen von Diskriminierung, deren Ursprung und Strukturen.
In diesem Rahmen durften alle Teilnehmer*innen am Dienstag, den 25.05.2021, an dem Workshop „Who feels it knows it – Unter die Haut“ teilnehmen. Der dreistündige Workshop wurde von zwei externen Experten veranstaltet und war eine Erfahrung, die mir noch lange in Erinnerung bleiben wird, denn der Name des Workshops war Programm.
Diskriminierung am eigenen Körper zu spüren und dies zu reflektieren, ist das Ziel gewesen. Dazu wurde ein Experiment mit uns durchgeführt, bei dem wir zunächst willkürlich in zwei Gruppen, die „Grünen“ und „Roten“, eingeteilt wurden. Den „Grünen“ Persönlichkeiten wurden ausschließlich positive Eigenschaften zugeschrieben, wohingegen die „Roten“ als zurückgeblieben und schlecht dargestellt wurden. Somit wurde eine Situation geschaffen, in der die „Grünen“ den „Roten“ deutlich überlegen waren.
Im folgenden Gruppengespräch wurden uns daraufhin Aufgaben und Fragen gestellt, wobei die Antworten der „Grünen“ stets als herausragend bewertet wurden. Die Antworten der „Roten“ wurden dagegen weitaus weniger enthusiastisch aufgenommen, wenn sie denn überhaupt einmal zu Wort kamen.
Ich war Teil der „Grünen“, also privilegierten, Gruppe, was für mich eine sehr interessante Erfahrung war. Wir wurden gelobt, ermuntert und herausgestellt, während die „Roten“ nur wenig Aufmerksamkeit bekamen und nicht gewürdigt wurden. Beispielsweise wurden wir aufgefordert ein kleines Gedicht vorzulesen, wobei ich nach einem Mädchen aus der „Roten“ Gruppe an die Reihe kam. Während sie zweimal aufgefordert wurde, erneut anzufangen und lauter zu sprechen, wurde ich direkt beim ersten Mal gelobt. Diese Situation hat mir gezeigt, wie einfach es ist, sich auf seine Privilegien zu verlassen und wie wichtig es ist, ebendiese Privilegien im Umkehrschluss zu hinterfragen und zu erkennen, dass wir diese aufgeben müssen, um eine gleichberechtigte Gesellschaft zu schaffen. Im ersten Moment war es definitiv schön, die Anerkennung für meine Leistung zu bekommen, doch kurz darauf war es mir sehr unangenehm, da ich ganz genau wusste, dass ich eindeutig nicht besser gewesen war. Ich glaube allerdings, dass diese Erkenntnis sehr wichtig ist, um in Zukunft sensibilisierter durch das Leben zu gehen und das Umfeld aufmerksamer zu betrachten.
Besonders der Austausch im Anschluss an das Experiment hat mich fasziniert, da alle Teilnehmer*innen ihre Gefühle und Eindrücke schilderten, wobei sich die Wahrnehmungen deutlich zwischen den beiden Gruppen deutlich unterschieden. Die Mitglieder der „Roten“ Gruppe berichteten, wie aufwühlend das Übersehen werden wirklich war. Viele meinten, dass sie den Druck spürten, sich anpassen oder besonders viel leisten zu müssen, um dasselbe Maß an Anerkennung zu erlangen, wie die „Grünen“ oder um gar nicht erst aufzufallen. Allgemein war die Atmosphäre zwischen uns und den Experten sehr angenehm und offen. Es wurde immer sichergestellt, dass sich jede*r wohl fühlt. Da die beiden selbst schwarz sind (Dies ist eine selbst gewählte Bezeichnung und deshalb nicht diskriminierend), konnten sie neben den theoretischen Informationen zu verschiedenen Formen von Rassismus und ihrer Entstehung persönliche Erfahrungen mit uns teilen. Geschichten, in denen sie uns davon berichteten, wie oft ihnen Rassismus im Alltag begegnet, haben uns alle schockiert und nochmals aufgezeigt, wie wichtig es ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Der Gedanke, dass Menschen diese schrecklichen Erfahrungen jeden Tag aufs Neue machen müssen und nicht das erlösende „Das Experiment ist jetzt beendet“ hören, stimmt mich sehr traurig.
Die Willkürlichkeit der Einteilung in verschiedene Gruppen, die zu Beginn des Experiments stattfand, zeigt übertragen auf unsere Gesellschaft deutlich, wie sinnlos und lächerlich die Ungleichbehandlung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder eines anderen wesentlichen Identitätsmerkmals ist. Das Aussehen einer Person sagt nichts über ihren Charakter aus und rechtfertigt keine Diskriminierung.
Der Workshop war wahrhaftig eine Erfahrung, die unter die Haut ging und wird mich sicher noch lange begleiten. Der direkte Austausch mit Betroffenen ist meiner Meinung nach sehr wichtig, um Rassismus zu verstehen und dagegen aufzustehen. Wir alle werden in ein System geboren, dass uns rassistisch sozialisiert, oft unbemerkt. Deshalb ist es umso wichtiger darüber zu lernen und das eigene Verhalten zu reflektieren. Aus diesem Grund planen wir als AG einen Projekttag in der letzten Schulwoche vor den Sommerferien und freuen uns schon jetzt auf viele interessierte Schüler*innen.
Text: Hannah

