Leise rieselte Schnee über die in Dunkelheit gehüllte Stadt. Einige zarte Lichterketten schmückten die Häuser und spendeten wärmendes Licht. Zitternde Schatten wurden auf die Straßen geworfen. Zwischen diesem Spektakel stand jemand, der Tag und Nacht über das Haus wachte, vor dem er stand. Von Kindern gebaut, zum Schmelzen bestimmt, zierte der Schneemann den kleinen Garten. Damals stand er noch alleine vor dem Haus der Familie Ravensberg. Die zwei Kinder der Familie hatten ihn zusammen mit ihren Eltern gebaut. Dabei wollte der kleinere Sohn ihm unbedingt eine Schleife aufsetzten, die große Schwester hatte so stark für einen Hut gekämpft, dass diese Diskussion zu einer Schneeballschlacht geführt hatte und der Schneemann nun weder einen Hut, noch eine Schleife trug. Eines Abends war die ganze Familie ausgegangen, sie hatten sich in ihr Auto gesetzt und waren losgefahren. Da baute die Familie aus dem Haus gegenüber nach vier einsamen Tagen endlich einen zweiten Schneemann in den Garten der Familie Ravensberg. Verantwortlich war das kleine Mädchen, das ihre Mutter so lange angefleht hatte, bis sie sie in warme Sachen gesteckt und ihr dabei geholfen hatte, den kalten Schnee zu formen. Es vergingen mehrere Stunden, die Schneemänner blickten sich an. Als könnten sie je etwas Anderes tun… Hinter ihnen hing eine Lichterkette, die ihre Schatten auf den Boden warf. So kam es, dass in dieser ewigen Trennung der Schneemänner zumindest ihre Schatten sich berührten. Und während sie selbst keinen Finger rühren konnten, tanzten ihre Schatten auf den Straßen. Schließlich wurden sie von Scheinwerfer erfasst und ein Auto kam zum Stehen. Die Familie war zurückgekehrt und stieg lachend aus. Die zwei Kinder, die den Schneemann an dem Tag gebaut hatten, an dem der erste Schnee gefallen war, sprinteten zur Tür. Das Mädchen hielt inne und auch ihre Eltern betrachteten den zweiten Schneemann ein wenig verdutzt. Als ihr Bruder zu ihr trat, schaute er sich um und winkte schließlich dem Haus gegenüber zu, aus dessen Fenster das kleine Mädchen lugte und ihren Schneemann betrachtete. Es vergingen einige Tage, aber nicht mehr viele, es wurde wärmer, zu warm für Schnee. An einem grauen, regnerischen Tag schrumpften beide Schneemänner. Während sie dahinschmolzen und zu Wasser wurden, konnten sie nur hoffen, nächstes Jahr näher aneinander gebaut zu werden.
Autorin: Ronja Eifler
Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/kalt-schnee-winter-gefroren-7682431/
